2002 - 2012

Die nächste Generation

Christopher Haas tritt in das Unternehmen ein und die erste E-Mail wird geschrieben. Was bedeutet der Generationenwechsel im Familienunternehmen?

Christopher Haas tritt in das Familienunternehmen ein ...

DH:
... Da hatten wir gerade eine neue Halle angemietet.

CH:
Gegenüber von uns war früher ein asiatischer Lebensmittelladen. Den Platz haben wir übernommen und unsere Waren reingestellt. Als wir angefangen haben, aus China zu kaufen, sind die Preise in den Keller gestürzt, und die Mengen nach oben gegangen.

Das Lager war dann so voll, dass man sich nicht mehr bewegen konnte. Und dann hat der Boden Risse bekommen, weil das zu schwer war. Und untendrunter standen von dem Besitzer des Grundstücks die Oldtimer in der Tiefgarage. Spätestens dann haben wir uns was Neues gesucht. Damit waren dann auf einmal auch ganz andere Produkte interessant.

Viele Innovationen kommen erst über niedrigere Preise zustande …

Nicht nur wegen niedrigeren Preisen für die Materialien, sondern auch wegen der Drucktechniken. Als ich angefangen habe, kam gerade der Digitaldruck auf, früher ging ja nur Offset und Siebdruck. Offset geht mit der Magnetfolie nicht, da musste dann immer auf Folie gedruckt und aufgeklebt werden.

Im Siebdruck kann man auch drucken, aber keine kleinen Auflagen und nicht so filigran. 2005 - 2007 kam dann der Digitaldruck. Das in der Kombination mit den dünneren und preiswerteren Materialien hat die Innovation dann vorangebracht.


Wie haben Sie hier angefangen, Herr Christopher Haas?

CH:
Erst mal habe ich ein Dreivierteljahr in der Produktion mitgearbeitet. Und dann habe ich jeden Arbeitsplatz hier im Büro gemacht. Aufträge geschrieben, Rechnungen geschrieben, kalkuliert und Materialkenntnisse erworben. In erster Linie mal das ganze Handwerk kennenlernen.

Das Wichtigste war definitiv das Material. Damals haben wir noch viel Ferro gemacht. Das hat auch meine Frau direkt gemerkt, da bin ich mit fünf Pflastern an den Fingern nach Hause gekommen. Die haben sich alle kaputtgelacht in der Produktion, und ich habe verstanden, warum die alle Handschuhe anhaben.

DH:
Wenn man mit Ferro noch nicht gearbeitet hatte, das ging mir am Anfang genauso. Vielleicht nicht fünf Pflaster, sondern nur vier …


Herr Detlef Haas, was war das Erste, was Sie Ihrem Nachfolger erklären mussten?

DH:
Das Material.


Und was konnten Sie von CH im Geschäftsalltag lernen?

DH:
Ganz einfach, eine neue Generation bringt neue Ansichten. Die Grundansichten waren schon teilweise sehr verschieden. Aber ich hatte auch andere Ansichten als unsere Vorfahren. Da sind wir zum Teil schon aneinandergeraten.

CH:
Ganz am Anfang war das noch nicht so mit EDV und Warenwirtschaft wie das heute ist. Da gab es Schreibprogramme, das sah furchtbar aus.

Wir haben dann angefangen, Wordvorlagen zu erstellen, mit Tabellen und Serienbriefformularen. Dadurch konnte viel automatisiert werden. Das war mein erstes Projekt in der Firma, die „Digitalisierung“. Dazu muss ich aber auch sagen, dass Haas definitiv der Erste am Markt war, der eine Homepage und eine E-Mail Adresse hatte.

DH:
Und auch das gegen den Rat aller anderen.

CH:
„Das braucht kein Mensch“

Die erste E-Mail Adresse war auch noch von T-Online. Da haben wir dann angefangen, die ersten E-Mail-Angebote zu schreiben, direkt im E-Mailprogramm.

DH:
Dadurch, dass CH eine fantastische Ausbildung in der EDV hatte, kamen wir mit diesen Kenntnissen hier natürlich gut voran.

Es hat aber auch ein bisschen Ärger gegeben. Wir mussten auch ein, zwei Leute entlassen.

CH:
Ja, das war nicht ganz reibungslos gewesen. Da waren Leute hier, die haben das nicht akzeptiert und auch mich nicht akzeptiert.

DH:
„Ich lass mir doch von so nem jungen nichts sagen …“

CH:
War nicht immer ganz so einfach. Wie bis dahin gearbeitet wurde, da musste dann jeder was neues lernen, das war notwendig. Als der Nadeldrucker dann nicht mehr unterstützt wurde und wir alles auf dem Laserdrucker gemacht haben, das war ein riesiger Akt gewesen.

Heute würden wir darüber schmunzeln, was wir damals unter Digitalisierung verstanden haben.


Herr Christopher Haas, 30 Jahre Erfahrung Ihres Vaters. Was haben Sie gelernt, und wie lange hat das gedauert?

DH:
Die Lautstärke.

CH:
Nein, nicht nur die Lautstärke. Viel über die Branche, wie funktioniert das Geschäft, wer ist in der Branche, wer hängt mit wem wo zusammen. Wie wird das hier kalkuliert. Im Prinzip das gesamte Geschäft. Das ist so eine spezielle Branche, da muss man alles von Anfang an lernen.

10 Jahre definitiv. Jedes Jahr wurde die Anzahl der Rückfragen weniger. Nach 10 Jahren war es sehr selten, dass ich Nachfragen hatte, aber es kam noch vor. Das ist halt ein Prozess. 30 - 35 Jahre Erfahrung kann man nicht einfach ersetzen.

DH:
Dieser Generationswechsel hatte natürlich auch den Einzug bei anderen Firmen geschafft. Ich war um die 60 rum, CH war um die 40.

CH:
30!

DH:
Man hat ja auch ganz andere Interessen. Sonst gäbe es ja auch keine Konflikte. Das hat uns auch stark nach vorne gebracht. Bei jedem Geschäft, das inhabergeführt wird, ist der Generationenwechsel sehr wichtig.

CH:
Irgendwann ist der Wechsel wichtig. In 10 Jahren müsste ich mir dann auch Gedanken dazu machen, wie es weitergeht. Der wichtigste Punkt ist „machen lassen“. Und du hast mir nie großartig dazwischengefunkt. Da waren auch Fehler dabei, auch Sachen die versemmelt gingen. Dann haben wir uns ausgetauscht. Wir hatten schon unterschiedliche Ansichten wie es hier im Büro abläuft, aber von den Geschäften her waren wir gleicher Meinung.

Du hast gesagt „Ich würde es anders machen“, aber du hast mich machen lassen. Nicht zu sagen „solange ich hier Chef bin, machen wir es so wie ich es möchte und wenn du dann Chef bist, kannst du es machen wie du es willst“ sondern von Anfang an zu sagen „das übernimmst du mal, ich stehe dir da mit Rat und Tat zur Seite.“

DH hat mit den Kunden weitergemacht, die er von Anfang an betreut hat und ich hatte meine Kunden, die dann gekommen sind, weil es eine neue Generation war und anders gearbeitet wurde.

Genau das ist das Spannende. Das Loslassen können, Fehler machen lassen können und nicht starr festhalten.


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